Krieg und Frieden (1900 - 1950)

Karl Gürtler beschreibt die Inflation 1923

Ich besitze eine Kladde von Karl Gürtler einem Großonkel von mir. Er beschreibt darin wesentliche Ereignisse aus seinem Leben. So auch seine Gehälter über die Jahre. 

Inflation 1923
Inflation 1923

Russlandfeldzug: Günter Hurrelmann 1943 in Russland

Mein Vater Günter Hurrelmann (*24.10.1919) hat, wie andere Hurrelmänner sich auch am 2. Weltkrieg beteiligen müssen. Hier ein kurzer Bericht eines seiner Erlebnisse in Russland, die sich sicher tausendmal und mehr so zugetragen haben müssen.:

„Südabschnitt Juli 1943:

Nachts kamen wir in die Stellung. Es war stockdunkel. Nur am Horizont brannte ein Haus oder sonst etwas. So konnte man wenigstens die Silhouette des Vordermanns erkennen. Die ersten hielten an. Wir waren die Ablösung. Es wurde geflüstert. Wir mussten uns hinlegen, denn hin und wieder fielen einige Schüsse, die wie Brummer an uns vorbei flogen. Die Abschüsse konnten wir nicht hören. Man erzählte, dass die Russen eine neue Art von Schalldämpfern über ihren Gewehren hatten. Ob es stimmt? Es wurde so viel erzählt – von Geheimwaffen und so – aber wer glaubte es?

Die Gräben waren gut ausgebaut. So tief, dass man aufrecht darin stehen konnte, ohne vom Feind gesehen zu werden. Der Russe hatte auch geschanzt. Hundert Meter vor uns. Seine Sagepenposten lagen 50 Meter vor unserem Graben. Der Wind kam von Osten. Man konnte die Russen sprechen hören. Wir stellten unsere Posten auf und teilten die Wachen ein. Unsere MG-Schützen wurden besonders ermahnt. Russische Scharfschützen hatten gestern zwei Kameraden durch Kopfschuss getötet. Der Russe hatte unsere Ablösung nicht bemerkt. Die Nacht verlief ruhig. Als es hell wurde wagten wir einen Blick über die Brüstung. Im Niemandsland lagen drei Kameraden, tot. Aufgedunsen. Einer lag auf dem Rücken. Er sah aus, als wenn er schliefe. Doch sein war blau und entstellt. Er war Unteroffizier und hatte das EK (Eiserne Kreuz). Seine Hand hielt die Pistole noch umklammert. „vom Stoßtruppunternehmen nicht zurückgekehrt“, hieß es sicher im Brief des Kompaniechefs an seine Angehörigen. Ob er noch Eltern hatte? Er war noch jung. Hatte er gar Frau und Kinder, wie jener Unteroffizier, der hinter dem MG im Graben stand und die toten Kameraden zuerst gesehen hatte. Wir wussten es nicht, wir waren die Ablösung. Uns strich nur der warme, süßliche Geruch von totem Fleisch um die Nase. Da lag er. Ein Mensch, ein Soldat. Bei seinen beiden Kameraden. Wer wird der nächste sein? Das Essen wurde verteilt. Wir rauchten eine Zigarette. Dann kam die Post. Der Unteroffizier am MG schrie laut auf. Frau und Kinder tot. Mutter tot, Vater tot. Bombenangriff auf Hamburg. Wenige Zeilen, von den Nachbarn geschrieben. Der Unteroffizier fiel in einen Weinkrampf. Wir wollten ihn ablösen. Doch er sprang auf die Brüstung, brüllte und lallte, torkelte, fiel hin und stand auf. Immer wieder „diese Verbrecher“ brüllend wankte er vorwärts auf den russischen Graben zu. Dann fiel ein Schuss Er lag bei den drei Toten. „Verbrecher“ war sein letztes Wort. In der Nacht wollten wir ihn in den Graben holen. Das war nicht möglich. Am nächsten Tag war auch sein Gesicht blau. Er war der vierte vor unserem Graben.“