Hurrel - Der Ort

Teile einiger Abschnitte dieser Homepage habe ich aus dem Buch "Hurrel, ein Dorf an Geestrand" von Walter Janssen-Holldiek übernommen, das er mir mit seiner persönlichen Unterschrift am 9.1.1994 geschenkt hat.

 

Im Hauptberuf war der gebürtige Jeveraner als Lehrer tätig. Von 1948 bis 1954 war er Schulleiter der damaligen zweiklassigen Volksschule in Lintel, dann wechselte er zur Hermann-Ehlers-Schule in Oldenburg, wo er bis 1962 unterrichtete. Bis zu seiner Pensionierung am 1. August 1977 wirkte er als Konrektor an der Oldenburger Schule „Auf der Wunderburg“. In der Gemeinde Hude, vor allem in Lintel und in Vielstedt, unternahm er archäologische Ausgrabungen, die ihn 14 Jahre beschäftigten. Die Geschichte war seine große Leidenschaft. Die Ergebnisse seiner Arbeiten waren Inhalt von über 50 Vorträgen, zudem wurden sie in zahlreichen Veröffentlichungen festgehalten.

 

Walter Janßen-Holldiek starb am 17. April 2009 im Alter von 95 Jahren. 

 

Hurrel beginnt als Einzelhofsiedlung

Höhenstufen des Landkreises Oldenburg, -- Geest oberhalb der 20-m-  Höhenlinie, Vorgeest 10-20 m, graue Färbung = Niederungsgebiet bis 10 rn,  (X Hurrel)
Höhenstufen des Landkreises Oldenburg, -- Geest oberhalb der 20-m- Höhenlinie, Vorgeest 10-20 m, graue Färbung = Niederungsgebiet bis 10 rn, (X Hurrel)

 Im Landkreis Oldenburg sind alle drei Großlandschaften Nordwestdeutschlands vertreten als da sind: Geest, Marsch und Moor. Mit etwa 2/3 des Flächenanteils überwiegt die Geest, die das eigentliche Kerngebiet bildet, weshalb man von der Delmenhorster Geest spricht. Sie nimmt den Osten des Krei-

ses ein. Der kleinere Teil der Geest westlich des Huntetales gehört schon zur Cloppenburger Geest. Dem östlichen Geestmassiv schließ sich in einem nördlichen Randstreifen die aus eiszeitlichen Sanden aufgebaute Vorgeest an, während der nordwestliche Teil von der Hunteniederung und den weitgehend

kultivierten Hochmoorgebieten eingenommen wird. Der äußerste Norden ragt noch in die Marsch hinein.

Entscheidend für die Landschaftsgliederung der Geest sind die schwach welligen oder kuppigen in der Nacheiszeit abgelagerten Grundmoränen, die der Landschaft ein mehr oder minder ausgeprägtes Relief geben, das von den meist flachen Rinnen der Bäken durchzogen wird. 

Die naturräumliche Lage Hurrels

An der Westgrenze dieses Geestsporns ragen innerhalb der 20-m-Höhenlinie drei Ausbuchtungen in das sich bis Altrnoorhausen um 10 m absenkende Moorgebiet hinein, An der heutigen Gemeindegrenze beim Kleinbecker Berg liegt das Land nochmals um 3 m tiefer (Abb. 16)_ Erst 12,5 km westlich auf der anderen Seite des Tweelbäker Moores liegen die nächsten Höfe und Siedlungen

wie Gramberg und Bümmerstede am hohen Ufer des Huntetales.

Da auch Lintel nur 11 m über NN liegt, ist es verständlich, dass man von Hurrel als "uppn Hurrel" sprach. Im Bereich dieses ausgesprochenen Geestrandgebietes entstanden zunächst die beiden Althöfe. Der weitere Ausbau durch die Köter vollzieht sich ausschließlich im Nordteil des Dorfes, wobei die Ländereien von Brinkmann und Ganteföhr unmittelbar an das Gebiet des Haverkamp anschließen, während Helmers wiederum Grenze an Grenze mit Ganteföhr liegt. 

Hurrel entsteht aus zwei einstelligen Höfen Im Gegensatz zu den Altdörfern Vielstedt, Kirchkimmen, Lintel und Nordenholz kommt Hurrel nirgends in den Klosterurkunden vor. Seine Erstnennung

finden wir im Oldenburger Salbuch von 1428/50 (Aufzeichnung von sämtlichen gräflichen Gütern und Höfen), wo unter den der Herrschaft gehörenden Besitzungen "twe hus ton Hurle" aufgeführt werden." Es sind dies der heutige Haverkamp-Hof und der um 1501 von Johan Barkhuß unter seinen beiden

Söhnen Johan und Dyrck aufgeteilte Hof in Hurrelhausen (Meyer und Sparke). Wahrscheinlich ist die Tatsache, dass es sich in Hurrel damals nur um zwei Einzelhöfe handelte mit verhältnismäßig abseitiger Lage auch der Grund für das geringe Interesse des Huder Klosters gewesen, hier Besitzrechte zu erwerben.

Als damaliger Eigentümer des Haverkamp-Hofes erscheint in den  Schriftquellen ein "Clauß up den Hurle" und sein Nachfolger "Johan Clawes Wewer von Claßkampe". Danach heißt er eigentlich "Johan Wewer" und erhält als Zusatz den Vornamen seines Vaters, nach dem auch das heute noch vor dem Hof liegende Feld damals der "Clauskamp" hieß. Auf die Veränderung von Kamp zu Feld wird noch einzugehen sein. Beide Höfe liegen in der Luftlinie 1050 m auseinander und müssen als einstellige Höfe oder auch als Einzelhöfe bezeichnet werden.

Die Hilligelo-Bau, ebenfalls ein einstelliger Hof, wird wegen seiner abseitigen Lage 1428 auch gesondert aufgeführt und ab 1489 in den von diesem Zeitpunkt ab durchgehend vorliegenden Steuerlisten Lintel zugeordnet." Seine Entfernung ist mit 1320 m zur Vollbau des Claus up den Hurle und zu Johan Barkhuß mit 1480 m noch größer. Wie wenig man damals noch von einem Dorf

Hurrel sprechen kann, zeigt die Tatsache, dass die beiden Hurreler Höfe von 1489 bis 1509 in den Delmenhorster Hebungsregistern, unserer einzigen Quelle für den Zeitraum von 1489 bis 1578, fast ausnahmslos unter Lintel aufgelistet werden. Erst ab 1543 erfolgt die eindeutige Trennung von Lintel und Hurrel in den Abgabelisten.

Im übrigen tragen beide Stellen den Zusatz "up den Hurle" oder "to Hurle". Die später für die beiden Halbhöfe verwendete Ortsbezeichnung Hurrelhausen war noch nicht üblich. Sie taucht erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf. Da das Gebiet der ehemaligen Hilligelo-Bau in der heutigen Bauerschaft Hur-

rel liegt und ab 1543 unter Hurrel geführt wurde, wird die Geschichte dieses Althofes und seiner ehemaligen Besitzer vollständig in diese Chronik aufgenommen.

 

 

Hurrel 1521: Aus 4 Kötereien wird ein Dorf
Hurrel 1521: Aus 4 Kötereien wird ein Dorf

Einzelhof oder Dorf

Die hier mehrfach gebrauchte Bezeichnung "einstelliger Hof" oder "Einzelhof" bedarf, da sie im allgemeinen Sprachgebrauch nicht mehr geläufig ist, einer Erklärung. Diese geschieht am deutlichsten durch Gegenüberstellung der zu ihnen gehörenden Ackerfluren: dem Esch und der Kampflur.

Der Esch (von gotisch etan = essen) - auf der Delmenhorster Geest als "Feld" bezeichnet - wird in verschiedene namentragene Gewanne aufgeteilt, deren je des wieder in einzelne Ackerstreifen gegliedert ist. Der Grund liegt in der ungleichmäßigen Bodengüte. Jeder Erstsiedler erhält nach gemeinsamer Urbarmachung innerhalb jedes Gewannes ein streifenartiges Ackerbeet, um eine gleichmäßige Verteilung von guten und weniger guten Böden zu gewährleisten. Das führte allerdings zu einer wirtschaftlich ungünstigen Streulage des Besitzes eines jeden Bauern. Ein gutes Beispiel eines Dorfesches ist das Vielstedter Feld mit seinen ursprünglich 17 Gewannen und 175 Ackerstreifen. Die Höfe liegen meistens unmittelbar vor dem Esch, und so spricht man von einem Eschdorf Die Gewannflur eines Feldes (Esches) mit ihrem Streubesitz gehört also zu einem Dorf, dessen Bewohner eine Flur gemeinsam kultivierten und dann unter sich aufteilten. Diese Art gemeinsamer Landnahme führte zu einer engen  Verflechtung und gegenseitigen Abhängigkeit beim Bestellen und Ernten. Es herrschte deshalb Flurzwang

Die ersten Anbauer in sich die Erfahrung, dass eine gemeinsame Arbeit die beste Grundlage für ein Überleben in einer nicht immer siedlungsfreundlichen Natur schuf. Stets ist der Esch eine Gemeinschaftsflur und damit Gemeinschaftseigentum.

Erst später kommen Neusiedler, die an der Feldflur nicht mehr teilnehmen können, weil die Altbauern es ihnen verwehren oder eine Erweiterung des Esches wegen ungünstiger Umgebung nicht möglich ist. Das von einem Neusiedler gerodete und kultivierte in der gemeinen Mark heißt grundsätzlich "Kamp" (lat. campus = Feld, Ebene). Es ist ein Stück Acker- und Hofland von meistens blockartiger, geschlossener Gestalt. Diese Gruppe der einstelligen Hofbesitzer kommt nach den Erstanbauern, doch rechnen sie noch zu den Altsiedlern, d. h. zu den vollen Bauen, zumal es sich auch nur um Einzelfälle handelt. 

Gedanken zum Alter der Vollhöfe

Da aus den Schriftquellen jeweils nur die Ersterwähnung zu entnehmen ist, die in fast keinem Fall das Geburtsdatum einer Siedlung ist, muss nach anderen Wegen zur Feststellung eines ungefähren Alters gesucht werden. Der bietet sich durch archäologische Grabungen an, wie sie fast zehn Jahre im Nachbardorf Lintel stattgefunden haben und sowohl zwei Höfe des Altdorfes (von Runnen und Kreye) als auch den Haverkamp-Hof in die vorchristliche Zeit zurück. Die bei solchen Ausgrabungen gefundenen Keramikscherben lassen eine ungefähre Datierung zu, da die Entwicklung der Keramik nach Form und Art weitgehend erforscht und bekannt ist. Bei Holzkohlefunden hilft die Radiokarbonmethode, die uns ein ungefähres Alter vermittelt. Die genaueste Datierung erfahren wir durch den Baumringkalender (Dendrochronologie), die uns z. B. jahrgenau über die Herstellung des Vielstedter Kastenbrunnens unterrichtet (1169 n. Chr.).

Leider, so muss der Chronist gestehen, können alle diese Untersuchungsmethoden in Hurrel uns noch keine Datierungsmarken vermitteln, da hier zu keiner Zeit archäologische Grabungen stattfanden.

Doch gibt es andere, wenn auch ungenauere Methoden, die uns in der Datierung weiterhelfen. Durch Abteufen des Humusbodens auf den Altäckern lässt sich eine annähernd genaue Besiedlungsdauer eines Dorfes ermitteln. Die etwa seit dem 9. Jahrhundert in unserem Gebiet durchgeführte Plaggendüngung hat zu einer allmählichen Erhöhung der Esche geführt, die dadurch in den meisten

Fällen eine leichte Aufwölbung aufweisen. Je nach Art der Plaggen aus sandigen oder moorigen Gebieten ist sie verschieden stark. In der Praxis hat sich ergeben, dass pro Jahr mit einem Auftrag von etwa einem Millimeter ausgegangen werden kann. Bei einer Stärke der Humusschicht von z. B. 85 cm wäre dieser Boden etwa 850 Jahre in dieser Art gedüngt worden. Zurückrechnen muss man ab 1890, da zu dieser Zeit an die Stelle der Plaggendüngung der Kunstdünger trat. Diese Möglichkeit ist für die beiden Hurreler Felder bisher noch offen, könnte aber noch durchgeführt werden.